Die Survivorship Bias – warum nicht alles so ist wie es scheint
Lassen Sie mich zum Einstieg in diesen Beitrag eine kurze Geschichte erzählen.
Im Laufe des Zweiten Weltkrieges schickte die britische Luftwaffe „Royal Airforce“ fast täglich Fliegerstaffeln über den Ärmelkanal, in Richtung Kontinentaleuropa. Trotz der exzellenten britischen Pilotenausbildung waren die Verluste sehr hoch. Die Briten waren auf dem besten Weg den Kampf um die Lufthoheit in Europa zu verlieren.
Um die Verluste zu begrenzen und die Überlebenswahrscheinlichkeit der Piloten zu steigern, wurden britische Ingenieure damit beauftragt die Panzerung der Flugzeuge zu verbessern. Als Ausgangspunkt dafür wurden alle zurückkehrenden Flugzeuge auf Einschusslöcher untersucht. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Untersuchungen wurde ein Profil der Flugzeuge erstellt und die am öftesten von feindlichem Feuer getroffenen Stellen gekennzeichnet. Die besten Ingenieure der Alliierten entwickelten immer stärker werdende Panzerungen um die oft getroffenen Stellen besser zu schützen.
Trotz all dieser Bemühungen konnten die Verluste der britischen Luftwaffe jedoch nicht verringert werden.
Wie hätten Sie dieses Problem gelöst? Was haben die Ingenieure hier nicht beachtet? Denken Sie kurz darüber nach und lesen dann weiter!
Auch die alliierten Ingenieure haben sich diese Frage gestellt. Die Antwort war pragmatisch, ihrer Meinung nach lag das Problem am höheren Gewicht der stärkeren Panzerung und der daraus resultierenden schlechteren Manövrierbarkeit der Maschinen. Eine Lösung des Problems – und damit das Retten von hunderten Pilotenleben – war in weite Ferne gerückt. Noch mehr Panzerung an den stark getroffenen Stellen führte zu noch höheren Abschussraten. Die Piloten waren den gegnerischen Flak-Geschützen immer noch ausgeliefert.
Doch dann meldete sich ein jüdisch stämmiger Mathematiker aus Siebenbürgen zu Wort. Adam Wald war 1938 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich aus seiner Wahlheimat Wien geflohen und mittlerweile als Forscher an der Columbia Universität in Manhattan tätig und beschäftigte sich dort mit Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie.
Wald sah es als selbstverständlich an, nicht die Stellen stärker zu schützen an denen Einschusslöcher vorhanden waren, sondern jene Stellen an denen keine Einschusslöcher vorhanden waren. Die Erklärung des Vorschlags ist simpel und logisch.
Die Flugzeuge die mit Einschlusslöchern in Ihre Hangars zurückgekehrt sind, wurden an Stellen getroffen die nicht vital für den Weiterflug waren. Daraus kann geschlossen werden, dass Flugzeuge die an anderen Stellen getroffen wurden nicht mehr in der Lage waren den Rückflug anzutreten. Folglich haben die Ingenieure die bereits geschützten Stellen zwar noch stärker geschützt, die Schwachstellen blieben jedoch weiter in ihrer ursprünglichen Form bestehen.
Nachdem die Schwachstellen der Flugzeuge stärker gepanzert wurden erhöhte sich die Überlebensquote der Piloten erheblich und die Royal Airforce ging gestärkt in den Luftkrieg um Europa.
Abraham Wald gilt heute als der Begründer der statistischen Entscheidungstheorie und hat herausragende Arbeiten im Feld der Ökonometrie geleistet.
Hätten Sie dieses Problem gelöst oder wären Sie wie die alliierten Ingenieure in die sogenannte „Survivorship bias“ getappt?
Damit sind Sie nicht allein! Die meisten Menschen treffen pragmatisch anmutende Entscheidungen, vergessen dabei jedoch wichtige Zusatzinformationen mit in ihre Entscheidungsfindung einfließen zu lassen.
Die falsche Annahme in Ihrem Kopf
Die meisten Menschen denken, dass sie einfach die Besten kopieren müssen um erfolgreich zu sein. Diesen Trend sehen wir in vielen Bereichen, besonders bei Aktieninvestitionen in Technologieunternehmen, wenn wir uns die Charts von Apple, Amazon, Microsoft oder Google anschauen ärgern wir uns doch alle. Es wäre doch so einfach gewesen sein Kapital zu Verhundertfachen. Es war doch klar, dass diese neuen, innovativen Unternehmen den Markt revolutionieren würden.
Doch auch hier werden wir Opfer der Survivorship Bias, denn von tausenden Unternehmen, die versucht haben mit technischen Innovationen die Welt zu verändern, haben nur einige wenige überlebt. Doch wir kennen nur die Sieger! Wer erinnert sich schon noch an Lycos oder Altavista? Wer kennt noch den Spinchat oder das StudiVZ? Genau, wir haben diese Firmen vergessen.
Besonders oft sehen wir diesen Trend auch im Marketingbereich, wir sehen alle die erfolgreichen Online-Kampagnen die Unternehmen aus dem nichts bekannt gemacht haben, wir hören von den Stars des digitalen Marketings, doch niemand kennt die Millionenausgaben, die jeden Monat für Kampagnen ausgegeben wurden, die keinen Erfolg hatten – die niemand gesehen hat.
Wie wir die Survivorship Bias vermeiden können
Wir dürfen uns nicht darauf verlassen was wir sehen. Wir müssen das was wir sehen mit dem vergleichen, was wir nicht sehen. Wir müssen die Sieger mit den Gescheiterten vergleichen. Das können Unternehmen sein, Forschungsthemen, Bewerber für einen Job – einfach alles was durch einen Selektionsprozess ausgewählt wurde bzw. sich in einem Wettbewerb durchsetzen musste. Wie die britischen Flugzeuge aus der Geschichte am Anfang dieses Beitrages.
Denken Sie an die Geschichten der Großmutter die 100 geworden ist obwohl sie täglich eine Schachtel Zigaretten geraucht hat, an den CEO der keinen Schulabschluss gemacht hat und trotzdem ein Milliarden-Dollar Unternehmen führt, oder an die jahrhundertealten Gebäude – die damals so viel besser gebaut wurden, da sie ja heute noch stehen. Das sind typische Beispiele für die Survivorship Bias.
Halten Sie sich immer im Bewusstsein, dass auf jedes erfolgreiche Unternehmen auch drei gescheiterte kommen. Genauso ist es im Marketing und im Vertrieb, jede erfolgreiche Kampagne die Sie wahrnehmen hat mehr als 10 Kampagnen in Ihrem Kopf verdrängt, die nicht so gut waren!
Von den Besten zu lernen, heißt nicht sie zu kopieren – sondern die Kleinigkeiten zu erkennen, die sie erfolgreicher gemacht haben als ihre Mitbewerber.
Ich hoffe Sie hatten soviel Spaß beim Lesen wie ich beim Schreiben!